BABELSBERGER SÜNDE

DER WIRKLICH LETZTE DEFA FILM

Das Plakat von 2023. Es sollte sich an alte DEFA-Motive anlehnen.

Einer der ersten Filmproduktion in Babelsberg nach der deutschen Wiedervereinigung war PAPA ANTE PORTAS von und mit  Loriot. Den Titel wählte er durch den römischen Ausruf "HANNIBAL ANTE PORTAS". Frei übersetzt bedeutet dies: Der Feind steht vor der Tür.
Anfang der 90er Jahre sagte man sich in den ältesten Filmstudios der Welt einen anderen, aber sehr ähnlichen Satz. "TREUHAND ANTE PORTAS"

Als ich 1992 zum ersten Mal in die Filmstudios kam, weil ich hörte, es gibt dort inzwischen Führungen für Filmfans, machte ich mit meinem frisch erworbenen Führerscheinbesitz ein paar Touren in meine ehemalige Heimat. Dabei wuchs ich auf der anderen Seite der Babelsberger Mauern auf, ich war West-Berliner.

Bewaffnet mit der Super 8 Kamera meines Vaters fuhr ich dort hin und ließ mich durch die Studios, durch das Tonkreuz, durch Baustellen und Werkstätten führen. Ich beschloss im nächsten Jahr wiederzukommen, um mich für eine Stelle zu bewerben. Ich wußte, dass es auf dem Gelände ein Arbeitsamt gab. Ich sagte dem Wachmann, dass ich zu diesem Container wollte. Der ließ mich durch den offiziellen Studioeingang gehen ohne zu wissen, dass das Arbeitsamt an jenem Tag gar nicht geöffnet war.

So gelangte ich auf das Gelände und fragte mich, was ich mit dieser Gelegenheit anstellen sollte. Ich schlenderte von Halle zu Halle und machte Aufnahmen. Ich wollte sogar das Büro von Volker Schlöndorff finden, doch dann bekam ich weiche Knie und verließ das Gelände.

Ich wollte es rechtmäßig anstellen und kam ein Jahr später mit einer Drehgenehmigung. Ich drehte die Doku "Stadt der Handwerker" auf dem Schmalfilmformat. Ich machte eine Lehre als Maler & Lackierer zu dieser Zeit. So bot es sich an, dass ich diese lästige Pflicht einen ehrbaren Berufes zu erlernen mit dem Vergnügen einer Doku verbindete.

Viele Jahre lang lagen die Filmspulen im Keller. 2022 digitalisiere ich sie endlich und überlegte, was ich aus den Beobachtungen aus alten Zeiten machen konnte. Und da fiel es mir erst recht auf, dass ich zu einer sehr spannenden Zeit dort unterwegs war.

Die Sprecher Monty Arnold und Peter Bieringer halfen mir bei der Vertonung der Gedanken, die ich zu den Bildern hatte. Ich hatte einen Artikel aus den 50er Jahren gefunden, wo sich ein Reporter auf das Gelände der Bendestorf Studios in Niedersachsen schlich. Diese Aktion erinnerte mich an meinem kleinen Husarenstreich. Die Verbindung dieser Zeiten und Texte macht nun für mich den Charme des kurzen Film-Dokuments aus.

Als die DEFA starb, war ich dabei. Jedes Jahr fuhr ich in den 90er Jahren einmal nach Babelsberg.

Das Nachwort hat dann doch noch Volker Schlöndorff, den ich 2022 treffen durfte. In einem kurzen Statement schließt er diesen kleinen Film. War es das aber wirklich? Die Treuhand ist Vergangenheit. Ist heute alles anders oder besser? Dieser Abschnitt der deutschen Geschichte wird heute schnell vergessen und die Zeiten der UFA und DEFA werden nicht oft beleuchtet. Der Übergang erscheint heute unbequem und nicht gerade ruhmreich. Um so schöner ist interessanter dieser verschwommene Rückblick.

Die Studiotour der Babelsberg Studios waren interessiert an den Super 8 Bildern für das 20jährige Jubiläum 2023 des Filmparks. Doch eine kritische Ausarbeituung war nicht erwünscht. Der Sprecher der Filmtour lud uns ein, um die aktuelle Tour zu erleben.

Wir nahmen diese Einaldung dankend an und besuchten Babelsberg im Sommer 2023. 

Tatsächlich konnten wir 30 Jahre später noch Relikte, Requisiten und Gebäude teilweise wiederentdecken, erkennen und neue Attraktionen kennenlernen.

Eine längere Version, in der die alten Bilder gegenüber den neuen Eindrücken direkt verglichen werden ist in Arbeit.

Die Filmgeschichte der ältesten Filmstudio wird jedoch für die Filmfans, Familien und Touristen nur halbherzig vermittelt. Die geführte Tour geht durch die „Caligari“-Halle und die Räume laden nicht zum verweilen ein, sondern werden verdunkelt, sobald der Guide die Gruppe in die nächste Station geschoben hat. Die Daten und Fakten werden sehr bemüht dargeboten, doch tiefere Einblicke in die reichhaltige Filmgeschichte des Ortes ist kaum möglich.

2022 im Zeise Kino Hamburg. Volker Schlöndorff stellt selbst eine Doku vor.

Der dokumentarische Kurzfilm lief im Frühling 2023 auf dem Kurzfilmfest „Open Eyes“ in Marburg im offiziellen Wettbewerb. Auf dem Kurzfilmtag in Bad Segeberg gewann das Werk den Publikumspreis. Auch in Lüneburg beim DIY Filmfest und in Hamburg-Harburg auf einer Werkschau kam die Babelsberger Sünde gut bei den Filmfans an.