DER REGIERUNGSBESUCH

 MEIN ZWEITER FILM

Im April 1993 besuchte ich eine Filmvorstellung in den Nassauer Lichtspielen in Haiger (Hessen). Der Regisseur THOMAS BAUERMEISTER war persönlich zu Gast und erzählte nach der Vorstellung von den Dreharbeiten der Dokumentation. Es ging um die Tschernobyl Katastrophe von 1986 und ihre weitereichenden Folgen, insbesondere für die Kinder. Irgendwo in diesem Gespräch erwähnte er auch eine Geschichte, die ich später als DER REGIERUNGSBESUCH verfilmte.




1995 nahm ich die Erzählung als Vorlage zu meinem ersten Kurzspielfilm. Vorher war ich beim FILMCLUB SINN eingetreten. Dort wurden Genre-Parodien gedreht, wie eine z.B. eine Hommage an die Edgar Wallace Filme.


Ich übernahm darin eine Rolle, die sehr an Eddie Abend erinnerte. Ich versuchte also erst einmal vor der Kamera Filmerfahrung zu sammeln. Eine Kamera zu führen, traute ich mir noch nicht zu. 

Es wurde auf einer Bolex gedreht, ohne Ton! Die Dialoge mussten später aufwendig nachgesprochen werden, wenn das 16mm Umkehr-Filmmaterial entwickelt war. 2 Jahre half ich bei den Spielfilmen mit. Dann wollte ich es selbst probieren. Guntram Lenz war Redakteur bei der lokalen Zeitung "Herborner Tageblatt". Er bekam stets die Hauptrollen vom Bösewicht in den Parodien. Deshalb  wurde er mein Regierungsbeamter. 

Begleitet wurde er von zwei Soldaten. Sie kamen mit einem Hubschrauber über das Land und sollten die Bevölkerung über Maßnahmen nach der Katastrophe aufklären. Ich fand mit Thomas Kaulich einen Kameramann. Er hatte im Nachbardorf einer der ersten Firmen für Videoproduktionen aufgebaut. Ich selbst spielte einen Soldaten.

Auf einer Wiese sollten sich die beiden Gruppen treffen. Ich meine, dass ich eine Drehgenehmigung eingeholt hatte. Aber beim Drehen fand ich eine noch schönere und größere Wiese. Dort bauten wir Schienen für einen Kamerawagen auf - bis der Bauer kam. Nach einem Gespräch ließ er uns zum Glück weiter drehen.



Hinten auf der Wiese steht noch der Traktor vom Bauern, der nicht schlecht staunte,
dass da plötzlich ein Filmteam auf seiner Wiese stand.


Auch hier drehten wir ohne Ton und ich vertonte alles später. Es wurde auf ORWO Material gedreht, welches günstig aus Wolfenbüttel aus der ehemaligen DDR zu bestellen war. Es war Umkehrmaterial, dass heiß, es gibt nur ein positiven Masterfilm als Ergebnis, kein Negativ. Als ich das Material dann immer wieder in einem alten 16mm Projektor sichten und schneiden wollte, wurde das Material natürlich immer wieder zerkratzt und beschädigt.
Irgendwann filmte ich deshalb die Projektion mit meiner VHS-Kamera von einer Leinwand ab. Und dieses Video ist auch das einzige, was ich (außer Set-Fotos) noch von diesem Werk habe. Das Umkehr-Positiv ist irgendwann verloren gegangen, was mich sehr ärgerte.

Irgendwann digitalisierte ich das Video und machte dann den Stummfilm, der jetzt zu sehen ist.

Dieser Glitch-Art-Stil gefällt mir und passt zu der Distanz, die ich inzwischen zu diesem Projekt habe. Es ist so unglaublich lange her, wir benutzten Technik wie vor 100 Jahren und selbst die einzige Vorführung auf einem Filmfest lief über diese VHS-Kopie ab.



Das OPEN EYES MARBURG nahm 1996 den Film ins Programm. Der Kurzfilm von gut 10 Minuten lief in einem Rahmenprogramm im CAFE TRAUMA. Die Hauptveranstaltung war immer auf der alten Amöneburg. 

Der 16mm Projektor streikte und so musste ich die Video-Version vor einem kleinen Publikum zeigen. Doch es war meine erste Vorführung bei einem Filmfest. Ich war sehr stolz.

Die Musik, die jetzt den Film trägt ist von DONG ZHOU, einer chinesischen Künstlerin, die ich für den Doku-Film CHINA OHNE CHINA kennenlernte. In diesem Film für NIHAO-TV portraitierte ich sie und ihre experimentellen Musik.


1997 fuhr ich dann mit einem Hilfes-Convoy tatsächlich zu den Menschen in die Nähe von Tschernobyl. Wir fuhren nach Minsk und besuchten eine Kinder-Klinik. Es wurden mir Mutationen gezeigt und ich hatte meine russische KRASNOGORSK 3 Kamera dabei, die ähnlich wie die BOLEX mit einem Federaufzug auf einer 30 Meter Spule einen 3minütigen 16mm Umkehrfilm durchzog. Leider war der Sperrgreifer defekt und der Film wurde nicht richtig vor dem Bildfenster angehalten. Somit waren die Aufnahmen unbrauchbar.


Doch als ich in der Kinder-Klinik die Mutationen von den Ärzten vorgeführt bekam und ich diese schrecklichen Folgen für die Welt aufnehmen sollte, wusste ich schon, dass meine Kameras in meinen Händen defekt war. Doch die Kinder interessierter sich für dieses Gerät und nahmen mir mit dieser Neugierde meine Angst, sie mit ihren Leiden zu filmen. Ich tat dann so, als ob ich filmen würde und die Kinder reagierten darauf, weil ich es lustig verpackte. Ich mimte einen Stummfilm-Kameramann nach. Hier merkte ich vielleicht zum ersten Mal, dass ich mit Kindern einen guten Kontakt herstellen konnte.


Aber erst 20 Jahre später wurde ich Erzieher und Lehrer.   


Als ich wiederkam, schrieb ich einen Artikel für das Herborn Tageblatt:




Kommentare

Beliebte Posts